Basti
ist Senior Operator und Systemtechniker Lichttechnik bei PM Blue. Die Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik hat er 2011 bei PM in Lüneburg abgeschlossen. Seitdem hat er sich zum gefragten Lichtoperator entwickelt und gehört aktuell zu den Stammcrews von Revolverheld, Edo Saiya, Juju und einigen mehr, mit denen er regelmäßig auf Tournee geht.
Einer der besten Operatoren, die auch das Lichtdesign selber machen. Der Weg dahin war - als er als Lehrling bei Profimusik angefangen hat - in keiner Form absehbar. Als bei ihm dann aus dem Beruf Berufung wurde, hat er sich richtig engagiert und sich unermüdlich eigenständig fortgebildet, so dass er heute auch im Bereich Visualisierung sehr fit ist.
Was war dein schönstes Erlebnis in deiner Zeit bei PM? Gibt es da etwas, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Also das Erste, was ein ganz wichtiger Moment für mich war, war die Show von Alan Parsons, die wir 2019 für Karsten Jahnke im Stadtpark gemacht haben. Da hatte ich meinen Papa und meine Mama eingeladen. Und er kommt ja auch aus dieser Branche und wie es halt mit den alten Hasen ist, kriegst du die immer mit irgendwas hinter dem Ofen hervorgelockt. Und da war er wirklich schwer beeindruckt und hat einmal nicht gesagt, das habe ich auch schon gemacht. Und dann ist es jedes Jahr wieder Elbjazz, wenn unser Gründer Jürgen vorbeikommt und lobt. Der hat mich ja in den Jahren ja sehr viel begleitet, scheitern und siegen gesehen. Und letztes Jahr sagte er trocken „Naja war ja dann doch nicht alles vergebens“. Und das ist dann schon ein kleiner Schulterklopfer. Ich habe in all den Jahren von vielen Leuten lernen dürfen, die es nicht immer leicht mit mir hatten. Und da ist es meine Form der Dankbarkeit den Leuten durch gute Arbeit irgendwie etwas zurückzugeben.
Wann hast du das erste Mal im Rahmen von Veranstaltungstechnik gearbeitet?
Da war ich so 16, 18. Da ging es los, dass man langsam Praktika in der Schule machen musste. Dadurch, dass ich ganz klassisch Musik gelernt habe, konnte ich vom Blatt spielen und habe im Theater gearbeitet und habe während der Veranstaltung meinem Dad Partitureinsätze vorgelesen. Bei den Praktika habe ich halt mal im Malsaal eine Woche gemacht, mal in der Schlosserei eine Woche, dann beim Licht. Das war halt immer ganz viel Tun und sehr viel handwerklich bei mir. Und die Prägung zum Licht ist tatsächlich erst später in der Lehre bei PM gekommen.
Was war für dich der Moment ausgemacht, in dem du dachtest „Ich will Fachkraft für Veranstaltungstechnik werden“?
Es war eigentlich meine Alternative, mein Plan B. Ab meinem 16. Lebensjahr hatte sich alles Richtung Musik gedrückt. Ich hatte klassischen Schlagzeugunterricht und richtig klassisch Set gelernt: Konzerttrommel, Kesselpauken, Xylophon. Ich wollte Musik studieren. Und das wollte ich bei der Bundeswehr machen. Daraufhin habe ich trainiert, musste eine Aufnahmeprüfung machen. Das habe ich alles bestanden, habe mit 18 auch mein Praktikum da gemacht, meine Aufnahmeprüfung und war dann zum Glück so schlau zu fragen, was nach den zwölf Jahren Verpflichtung kommt. Und da kam die Antwort, dass da jedes Jahr nur 5% fest übernommen werden als Berufssoldaten und dass der Rest umgeschult wird. Und da hab‘ ich gesagt „Ja nee, Leute, damit ich da raus.“ Ich hätte mit 20 angefangen zu studieren, wäre mit 32 rausgekommen und hätte dann eine Umschulung gemacht. Ich bin jetzt 36. Vor vier Jahren hätte ich also einen neuen Job gelernt. Das war nicht, was ich wollte. Und dann hab‘ ich gesagt „OK, dann mach ich ‘was anderes.“ Und ich habe mich gefragt „Also, wenn es jetzt nicht Musik direkt ist, was kann ich damit sonst so machen? Mit meinem Wissen, was ich jetzt schon habe.“ Und dann habe ich erstmal ein Prokastinationspraktikum bei meinem Dad in der Tonabteilung am Theater Schwerin gemacht und mich dann auf die Veranstaltungstechnik zurückbesonnen. Dann habe ich noch für drei Wochen ein Praktikum bei der Hochschule für Musik und Theater in Rostock gemacht. Und dann bin ich die Kontakte von meinem Vater durchgegangen. Und da war ja auch Profi Musik dabei. Da habe ich dann das nächste Praktikum gemacht. Ich fand es damals toll dort, weil es halt auch bisschen alternativ war. Lüneburg war schön und das konnte ich mir also alles gut vorstellen. Dann hab‘ ich gedacht „OK, machst du halt ‘ne Fachkraftausbildung. Musik kannst du dort immer noch machen.“ Da gab es einige Kollegen, die nebenbei Musik gemacht haben. Und da gab es da ja noch den Backlinebestand. Zur Zeit des Praktikums waren zum Beispiel gerade einige Schlagzeuge aufgebaut. Also da war noch viel Musik und deswegen war das mega attraktiv für mich. Und dann habe ich im August 2007 da die Ausbildung begonnen.
Wie war die Zeit der Ausbildung für dich?
Die Zeit war hart. Es gab viel Ärger mit mir. Ich war bestimmt nicht einfach. Das weiß ich jetzt. Aber es hat mich auf jeden Fall geprägt und das hat mir ganz viel gegeben in meinem sozialen Umgang jetzt auf Bussen. Immer wieder, wenn ich jetzt in neue Gruppen reinkomme, gucke ich genau „Wie verhalte ich mich, worauf achte ich?“. Ich war früher nicht einfach, weil ich mir nicht viel sagen lassen wollte und andere auch enttäuscht habe, wenn ich meine Aufgaben nicht gemacht hatte. Das war dann sehr unangenehm. Ich habe daraus gelernt und heute ist auch eine meiner ganz wichtigen Ansichten „Geh gut vorbereitet und geordnet zum Job und du wirst da wirklich ein easy Day haben.“ Und so ist das immer wieder.
Wie ging es dann mit deiner Selbständigkeit los?
Also am Anfang war das eher so die eierlegende Wollmilchsau, also irgendwie alles machen, bei unseren einschlägig bekannten Firmen im Umland halt einmal Hallo sagen. Es war also mehr Aufbau und Abbau, Operating erstmal noch gar nicht so viel, weil man bei den Firmen da gar nicht hingekommen ist. Natürlich wussten sie es, dass man dahin will, aber da war ich halt einfach noch nicht so weit. Ich habe damals noch viel Backline gemacht, weil durch mein Instrument war ich halt superfix irgendwie. Ich wusste was der Musiker dort stehen haben möchte, auf was hat er Bock, was macht gar keinen Sinn. Und so habe ich dann die ersten zwei Jahre ganz viel Planung und Durchführung für Backline gemacht, zum Beispiel für Jazz Baltica und Elbjazz oder für den NDR.
Ja, und dann irgendwann ging es dann so langsam los Richtung Festivals. Da hatte mich mein ehemaliger Azubikollege zu einer Firma mitgeschliffen, weil die beim Hurricane ein Dimmermann brauchten. Also da sitzt du, baust du das System und passt den ganzen Tag auf. Und im nächsten Jahr saß ich dann auf einmal schon bei der Green Stage als Pultsupport. So zack, ziemlich steiler Aufstieg. Ich habe dann gesehen „Na ja, die kochen ja hier eigentlich auch nur mit Wasser und vielleicht ein bisschen wärmer oder der andere ‘n bisschen kälter, aber eigentlich ist es alles dasselbe.“ Und da hatte das alles so ‘n bisschen dieses Unerreichbare verloren, und dann hatte ich da auch Bock drauf. Also habe ich mich da reingekniet. Und dann machte ich für vier, fünf Jahre diese ganzen Major Festivals: Highfield, Southside, Greenfield, Hurricane und auch M’era Luna und diese ganzen Metal-Geschichten. Und dann bin ich auch die ersten Touren gefahren. Das war die eine Seite. Und parallel ging es dann über PM ja auch für Acts bei Jahnke immer mehr weiter. Und da hatte ich dann immer noch mehr Bock drauf. 2015 gab es dann bei PM die Anfrage einer Agentur: „Wir bräuchten hier mal so einen aufstrebenden jungen Techniker, der Bock hat, mit uns acht Wochen um Welt zu fliegen.“ Also da haben sie mich gefragt. Das war Lacrimosa und damals meine erste richtige Tour. 38 Tage um die Welt fliegen, 28 Shows. Das war schon anstrengend. Aber es hat Spaß gemacht, weil man zwar mega zerstört nach Hause kam, aber ich auch dachte „Du kannst richtig, richtig Progress machen, wenn du Bock darauf hast.“ Das ging über ein Viertel Jahr ungefähr, wo ich neben der Lacrimosa-Tour noch für zwei oder drei Wochen lang die Jazz Nights Tour mit Michael Wollny durch Deutschland gemacht habe. Und dann war ich noch für sechs Wochen für das Audi Händler Meeting in Barcelona. Das war also ein schöner Kaltstart für mich. Aber das war eben der Start für mich ins Touring.
Von da an warst du also als Lichtoperator unterwegs. Wie ging das weiter?
Nach einigen Jahren Touring, auch immer wieder mit Industriejobs, habe ich erstmal gemerkt, diese Industriejobs sind nicht meine Welt. Und dann habe ich das weitgehend gelassen. 2018 war dann der wirklich krasse Einstieg, was sehr, sehr wichtig war. Das war die „Alles auf Rot“-Tour von CAPO. Das ist der Bruder von Haftbefehl. Das war mein Einstieg in den Deutschrap. Da bin ich dann nach Offenbach gefahren und habe dort den MD kennengelernt, also der Musical Direction. Bei jeder Hip-Hop Produktion hast du immer jemanden dabei, der aus diesen Radio Single Edits eine spielbare Live-Version macht. Da geht’s dann darum, dass jeder Song ein Intro hat und dass der Song auch ohne Featureparts funktioniert, weil die Feature-Artist nicht da sind. Das wird dann halt gekürzt und dann hast du vielleicht noch irgendwie ‘nen C-Part meinetwegen oder sowas. Sowas machen halt diese MDs. Und dieser MD, den ich da traf, der war wiederum der Produzent von Deichkind. Und dann fing es an. Ich vergleiche das, was ich mache, immer so ‘n bisschen mit einer Torx-Schraube, die die du versuchst in ein Stück Holz reinzuschrauben. Und irgendwann hat sie einfach gegriffen. Und wenn die einmal drin ist, dann schraubt sie sich immer tiefer und tiefer rein und reißt ein immer größeres Loch rein. Und das ist mein Ziel, das Ding wirklich bis auf Anschlag in das Holz reinzuballern. Und das klappt gerade ganz gut.
Mich rief dann ein Kollege von der Lacrimosa-Tour an und fragte, ob ich nicht für Revolverheld aushelfen könnte. Das hatte ich schon 2017 zum ersten Mal gemacht. Dann war ich bei Revolverheld drin. Und das hat dann die Runde macht. Und dann wurde ich gefragt, ob ich nicht auch Juju machen will. Dann habe ich mir das angeguckt. Und zack hatte ich Juju. So kam eins zum anderen. Dann habe ich den Lichtoperator von Materia und Marsimoto kennengelernt. Und da habe ich dann mal Vertretung gemacht. Und dann mache ich auf einmal Sido, Marsimoto, Kontra K, Nina Chuba.
Irgendwann hast du über das Operating hinaus ja auch angefangen Lichtdesigns zu machen für Bands. Wie hat das angefangen?
Ja, meistens kommt ja auch die Anfrage für den Clubgig „Hey, wir wollen ein bisschen Lampen mitnehmen. Überleg dir mal, wie man die lustig hinstellen kann.“ Oder halt auch in der Firma die Aufgabenstellung „Kunde XY ruft an. Wir haben nur das Budget. Mach mal, dass das nach mehr aussieht.“ Und dann fängst du halt an dir Gedanken zu machen, guckst was machen andere? Mir fiel räumliches Denken schon immer leicht beim Zeichnen, oder bei konstruktiven Computerspielen oder damals bei Lego Technik. Und so fiel es mir auch leicht Lampen wirkungsvoll auf die Bühne zu stellen. Und das hat den Leuten dann auch meistens sehr schnell gefallen. Aber dann die Frage „Ab wann ist es wirklich ein Design?“ Mittlerweile sage ich gar nicht mehr so, dass ich bloß Lichtdesign mache. Es ist vielmehr dieses komplette Visual Directoring, also alles, was du siehst: Wo steht die Band? Wann steht sie da? Wann geht das Licht an, wann geht es aus? Wie groß ist die Videowand? Wie sieht das Objekt aus, wo der Künstler draufsteht? Was hat der Künstler an? Welche Farbe hat Schlagzeug? Also das ist wirklich alles gerade. Die Lampe macht nur noch ein Drittel des Jobs aus und ist nur noch das Handwerkszeug, um das Bild, oder die Situation schön zu machen. Mittlerweile drücken wir auf allem rum, was irgendwie was machen kann, was dir irgendwie Response auf deine Calls gibt. Also sei es die LED-Wand, die dann ausgeht, wenn ich auf Knopf drücke, oder sei es irgendwas, was aus der Decke runterfährt. Es ist halt alles. Und das ist jetzt wiederum dann wieder Design. Aber Design? Ich hatte jetzt erst die Gelegenheit, bei zwei, drei Bands wirklich Design machen zu können. Meistens war es das, was ich von anderen Leuten aufgetragen bekommen hab, weil ich die Band übernommen habe, oder weil die Leute mich mittlerweile öfters immer mehr einkaufen, um fast Ghostwriting zu machen. Also die sagen mir „Ey, das ist deine Bühne. Das ist das Design. Hier hast du das Pult-File mit den Songs. Das sind die Songs. Füll die mal bitte.“ Und dann setze ich mich hin und knall denen jetzt nur die Songs voll Dann schicke ich einen USB-Stick zurück. Da fährt der Kollege mit los. Ich fahre da einmal hin und gucke mir an, ob das funktioniert und passe dann noch etwas an, oder auch nicht. Es funktioniert gerade.
Wenn du Visual Direction machst, hast du da ein bestimmtes Konzept? Gehst du immer auf die gleiche Art und Weise vor?
Grundlegende Herangehensweise habe ich mir angeeignet von einem Kollegen, für den ich immer mal wieder einspringen durfte. Wie ich beispielsweise meine Pult-Files aufsetze, die Timecode-Umgebung und die Cueing-struktur einrichte habe ich im Grunde von diesem Kollegen gelernt. Und mit dieser Routine bin ich inzwischen richtig schnell. Wenn ich mal auf Schlag für viele Songs vorproduzieren muss und eigentlich weniger Zeit zur Verfügung habe als ich mir gewöhnlich nehme, dann ist das sehr hilfreich.
Fühlst du dich immer zuerst in die Musik ein und beginnst dann mit dem kreativen Prozess?
Also ich habe mir jetzt mittlerweile auch angewöhnt, gewisse Musikrichtung einfach nicht mehr zu machen, weil ich sie halt nicht fühle. Dazu gehört zum Beispiel Punk. Ich muss es verstehen. Deswegen habe ich gerade zu diesem Deutschrap, Hip-Hop, Beat und Electronics, also alles, was irgendwie aus Samples gebaut wird, einen Draht. Wenn ich mir jetzt dazu noch das Art Work von dem Künstler angucke, das Albumcover oder Videos, dann fange ich schnell an, mit Formen rumzuspielen. Ich fange an zu zeichnen, auf Papier oder meistens direkt in WYSIWYG. Du bist da in einem 3D-Raum und kannst einfach Formen hinstellen. Du fängst an, mit Anzahl der Musiker und Formen rumzuspielen und auszuprobieren, was man machen kann. Das ist dann meistens erst mal nur: wie soll die Bühne als solches aussehen? Und dann fülle ich dann meistens diesen Raum erstmal mit Lampen. Und für die Auswahl der Lampen muss man sich halt auch überlegen: „OK, was ist das für Musik? Ist das schnell? Ist es weich? Welche Effekte will ich?“ Meistens hole ich mir einfach Arbeitstiere ran wie einen vernünftigen Spot, mit dem ich alles machen kann. Bei PM haben wir gerade den Ayrton Rivale in großer Menge in den Bestand genommen. Das ist so eine Lampe, die leistungsstark ist und mit der richtig viel geht. Und dann überlege ich mir für jede Band oder Künstler immer so einen Eyecatcher, oder zwei. Bei Juju war das damals zum Beispiel diese polygone Podeststruktur. Jetzt sind das gerade große Skorpione, die mit großen Spiegelscherben beklebt sind. Bei einem anderen Künstler war es diese LED-Wand, durch die wir durchleuchten. Also was einen hohen Wiedererkennungswert hat. Und dann versuche ich ein Set so zu bauen, dass es überall einsetzbar ist und möglichst skalierbar für jede Bühnengröße. Und dann muss es noch in den Trailer passen. Und dann geht der ganze andere Spaß los. Da muss man sich dann überlegen, Preise, Produktionskosten, was brauch ich an Leuten? Und dann setze ich mich hin und programmiere das Ganze. Und dafür nehme ich mir dann meistens noch mal so zwei Wochen Zeit. Ich trenne da auch nicht immer: Was ist Arbeit, was ist Spaß, was ist Ego, was ist einfach nur innerer Monk? Da ist dann also vielleicht auch nicht jede Stunde bezahlte Arbeit. Aber wenn es am Ende gut wird, lohnt sich der ganze Spaß. Also ich weiß, irgendwann kriege ich es wieder.
Nachdem du nun einige Jahre im Berufsleben stehst, wie nimmst du junge Kolleg:innen wahr, die am Anfang ihres Berufslebens stehen?
Ich sehe gerade, was ein junger Kollege macht. Ich nenne es liebevoll die Jung-Gesellen-Depression. Wenn du aus der aus der Lehre rauskommst und denkst: jetzt gehört mir die Welt, ich habe einen Beruf erlernt, ich kann alles, ich weiß alles, gib mir ’was, ich mach das. Aber eigentlich fängt jetzt seine zweite Lehre erst an, sein Masterstudium, sein Wandern und Lernen. Das versuche ich ihm klarzumachen, weil ich sehe, dass er Bock hat. Aber ich sehe auch, dass er noch nicht so weit ist. Er hat die Fachkompetenz. Aber er ist menschlich noch nicht so weit, diesen Grad der Abgebrühtheit zu haben, auch mal zu sagen „Ey, ich mach’ das. Lass mich jetzt mal ganz kurz in Ruhe, das wird schon oder guck mal bitte, du hast da vielleicht Fehler gemacht, denn bei mir ist alles safe“. Der Kollege verfällt dann schnell ins Flattern, wird unsicher und strauchelt irgendwie. Und das kannst du nicht gebrauchen bei den Produktionen, mit denen ich unterwegs bin. Der Hip-Hop ist manchmal wirklich ein ganz schönes ekliges Haifischbecken mit Sehen und gesehen werden. Da muss man sich auch mal durchsetzen. Ja, also letzten Endes geht es doch immer irgendwie auch um Profilierung. Und wenn du - ob man will oder nicht - am Anfang deiner Karriere stehst, dann muss man ganz viel Profilierung noch behaupten. So, und dann hat man vielleicht erstmal eine große Fresse und vielleicht wirklich nicht viel dahinter. Und je älter man wird, je mehr Berufserfahrung man hat, umso mehr entsteht diese Profilierung doch auch wirklich erst der Kombination aus Kompetenz, Können und Erfahrung. Gerade auch diese Punkte, wo man halt scheitert, die waren für mich auch sehr wichtig.
Du bist viel unterwegs. Wie verbindest du Job und Privatleben?
Wenn du halt Bock auf diesen Live-Part, dann muss man sich dem im Ganzen geben. Ich habe eine unfassbare kulante Frau heiraten dürfen, die den Spaß mitmacht und mich so ja auch kennengelernt hat. Sie sagte auch, wenn ich nicht losfahre: ey, du musst mal wieder los, du bist gerade hier echt anstrengend. Unsere Beziehung funktioniert fast nur so.Damit bin ich auch unfassbar gesegnet. Ich weiß, dass es bei vielen anderen Kollegen nicht funktionieren würde, dass da auf jeden Fall die Frau denen aufs Dach steigen würde. Bei mehr als zwei Wochen am Stück und öfters als dreimal im Jahr wäre da vielleicht Feierabend.
Gibt es sowas wie eine feste Perspektive, wie lange du das Touring noch machen willst?
Ich will mich jetzt nicht Designer nennen. Aber mit dem, was ich mache, möchte ich im deutschsprachigen Raum unter die zehn Gefragtesten kommen, Industrie jetzt mal ausgeklammert. Und dann hatte ich mir überlegt, bis ich 50 bin dieses Ghostwriting vielleicht so weit auszubauen, dass ich dann einfach wirklich von zu Hause büromäßig nur noch Produktion vorprogrammiere. Und dann würde ich auf jeden Fall Richtung Rundfunk und Fernsehen marschieren, um damit noch ein gutes Auskommen zu haben. Also diese Tür halte ich mir auch immer noch frei. Da halte ich Kontakte zu den einschlägigen Hamburger Institutionen. Sowas sollte auch jeder tun, also ein Plan B haben. Bei Funk und Fernsehen darfst du dir dann aber spätestens abgewöhnen irgendwie großer Designer zu sein. Da bist du dann mehr Nummer XY in Schicht C oder so. Dafür bist du aber abends zuhause und bekommst ja auch gute Bezüge bis hin zu Sonderleistungen. Ich will jedenfalls nicht auf Teufel komm raus dieses Künstlerding durchziehen bis ich irgendwann feststelle, dass ich einfach zu alt bin. Es gibt da einen Kollegen, von dem ich mir das ein bisschen abgucke. Der denkt wirtschaftlich schlau. Der ist sehr organisiert, was seine berufliche Perspektive und schließlich auch Altersvorsorge angehen. Das gefällt mir. Machen wir uns nichts vor. Irgendwann kommt der Tag für jeden, wo du vielleicht zu alt bist. Und der Tag wird aber auch bei mir kommen. Und da sollte man sich keine Illusionen machen und schon den Plan B am Start haben. Weil alles, was man dann versucht, um künstlich jung zu bleiben, sieht ein bisschen komisch aus. So wie die pinken Poloshirts und die weißen Sneaker im Reallife. Ich habe von den Eycatchern für jede Band gesprochen. Und um die zu finden, um zu wissen was der Seele des Acts entspricht, musst du es fühlen. Aber es gibt so Leute, die fühlen es irgendwann nicht mehr und machen dann so Verzweiflungstaten. Da will ich auf jeden Fall vorher die Kurve die kriegen.
Gibt es etwas, das sich am Touring in den letzten Jahren grundsätzlich verändert hat?
Leute sind vernünftiger geworden. Es ist professioneller geworden. Also ich habe ja die Zeit des wirklich harten Rock’n’Rolls nicht mehr mitgekriegt, die letzte Übergangszeit vielleicht noch. Also mit allen Klischees wie nach dem Job bis morgens um 6:00 Party machen und saufen, was das Zeug hält. Nee, die Leute sind sehr vernünftig geworden. Um 1:00 fällt da meistens im Bus der Hammer. Und seit dieser Row-Zero-Sache bei Rammstein passt man noch mehr auf, dass keine fremden Leute auf dem Bus sind. Man achtet wirklich darauf Political Correctness walten zu lassen und keine doppeldeutige Situation entstehen zu lassen, wo irgendjemand was falsches reininterpretieren könnte. Die Leute sind da bedachter geworden. Selbst die jungen jungen Künstler Anfang 20 gucken, dass sie nicht in solche Situationen reingeraten, also dass irgendwelche Handyaufnahmen erfolgen. Es werden Ausweise gezeigt vorher, wie alt die Leute sind, irgendwie. Man macht öffentliche Posts bei Instagram, damit nichts im Geheimen stattfindet, das problematisch werden könnte. Es ist viel transparenter geworden. Kehrseite ist da aber auch, dass ich in meiner Freizeit auf Tour dann in Reels oder Tourblogs zu finden bin. Und das find ich persönlich sehr anstrengend. Was ansonsten nach Corona stark auffällt: Die Clubs haben weniger Geld. Man sieht es daran, dass weniger Material bereitgestellt wird. Da ist der Handlungsspielraum kleiner geworden im Vergleich zu früher. Und dann hat sich das Merchkaufverhalten stark verändert. Mit meiner langjährigen Stammband wir hatten 2019 wirklich noch eine Zeit, wo Geld fürs Publikum scheinbar keine Rolle gespielt hat. Die Halle war voll. Der Pro-Kopf-Verkauf beim Merch war irgendwo bei 13 bis 15 €. Das ist wirklich alles eingebrochen. Beim deutschen Hip-Hop, für den ich aktuell ja viel arbeiten darf, gibt es allerdings auch das gegenteilige Verhalten. Die Hallen werden immer voller. Die Leute geben immer mehr aus, weil es halt das Publikum ist, was entweder noch nicht feiern konnte bis Corona, die dann während Corona nicht durften und die das Feiern jetzt erst für sich entdeckt haben. Und da erlebe ich es am Merch immer wieder, dass gerade junge Leute wirklich alles kaufen. Die Artikel kosten zwischen 20 € und 80 €. Und manch einer lässt da dann tatsächlich für 10 Artikel um die 300 € da. Die haben uns teilweise vorrübergehend leergekauft. Das erlebst du auf einem Midager-Konzert nicht, wo vielleicht ein T-Shirt für 25 € gekauft wird und das dann schon teuer gefunden wird.
Gibt es heute auch ein höheres Bewusstsein für Arbeitszeit und Ruhezeit?
Naja, manche Leute sind nach wie vor unvernünftig, was Arbeitszeiten angeht. Ich auch. Wenn der Bus ankommt, und die Halle ist schon offen. Dann gehe ich auch rein und gehe da meistens nicht wieder raus, bevor man mich nicht rausschmeißt, egal was ich für Arbeitszeiten dann habe, weil ich da einfach Bock draufhabe. Es unterscheidet sich aber darin, dass die Leute sich mehr bemühen, uns die die Zeit dort schöner zu machen, also die Qualität des Essens zum Beispiel. Und wir achten schon sehr darauf uns über die ganze Zeit im Venue eine gute Zeit zu machen. Also, wir gehen dann eher mal noch mal in die Stadt rein oder setzen sich noch mal eine Stunde hin, trinken Käffchen. Wir nehmen uns für alles viel Zeit damit wir uns nicht abhetzen. Und ich achte auch sehr darauf, dass während des Jobs niemand in meiner Umgebung Alkohol trinkt oder sonst etwas nimmt. Findet bei mir nicht statt.
Gibt es irgendwas, das ganz oben auf deiner beruflichen Lebenstraumliste steht?
Ich habe mir ganz viele Sachen eigentlich schon erfüllt. Das sind der diversen Festivals gewesen. Aber da habe ich noch so ein, zwei draufstehen. Also zum Beispiel die die Woodstock-Bühne in Polen habe ich auf jeden Fall bei mir noch auf der Bucketlist. Das ist einfach ein Gemetzel an Licht, was da hängt. Und ich wollte da einfach hinfahren, nur die Hälfte anmachen, einfach aus Prinzip, weil es geht. Nein. Scherz. Mein persönliches Goal wäre es irgendwann einfach, einen finanziellen Background zu haben, dass ich losfahren kann und mir nicht Gedanken darum machen, dass privat irgendwas noch nicht bezahlt ist. Keine dicken Sprünge, kein großes Haus oder Urlaube oder so ein Quatsch. Einfach, dass das normale Daily Business läuft, alles bezahlt ist und ich mir trotzdem mein Traum-Arbeitsmaterial, also mein Pult mit meinem Rechner mit meiner Software, dass ich mich einfach ohne physische Begrenzung komplett einfach mal verwirklichen kann. Ich möchte einfach meinen Job machen, ohne andauernd mit irgendwelchen Einschränkungen auf die Finger zu kriegen, sondern dass es einfach heißt: lass den machen und es wird geil. Also so ein Garant zu sein, so diesen Namen irgendwann zu haben, dass man weiß: Ruf den Typen an – alles wird gut.
Gibt es eine Lieblingsbeschäftigung in deiner Freizeit? Was machst du also zum Beispiel als erstes, wenn du von der Tour kommst?
Ich finde es ganz geil, nach Hause zu kommen und einfach zu sagen: ich bin zu Hause. Also ich stehe total darauf einfach zu meiner Frau nach Hause zu kommen und einfach mit ihr Zeit zu verbringen. Und wenn es The Taste gucken ist, Kamin anmachen, etwas kochen, einfach Zeit miteinander verbringen. Wir haben viel Zeit zu Hause. Also wir waren noch nie so richtig im Urlaub. Wir waren einmal nach unserer Hochzeit ein Wochenende mal in Heiligenhafen. Meine Hobbys sind sonst eigentlich alles, was sich um Rechner dreht. Ich spiele ganz viel Computer. Ich bin halt echt noch ein Zocker. Das ist so mein Ding, ich bin ja etwas in den Süden gezogen. Und ich habe noch viele Leute im Norden sitzen, mit denen ich halt immer noch zocke, mit denen ich so Kontakt halte. Und ansonsten Garten. Ganz viel Garten. Das ist seit Corona, seit jetzt vier Jahren ganz fester Bestandteil. Und das bringt mir auch viel Ausgleich. Es entschleunigt. Man kommt auf andere Gedanken. Ich habe manchmal wirklich Schwierigkeiten, den Job Job sein zu lassen, also wirklich auch abzuschließen. Da denke ich nicht selten: ah, dies könnte ich noch machen, oder den könnte ich nochmal anrufen. Da muss man jetzt auch langsam aufpassen, dass man damit nicht Leute aus der Familie verprellt, wenn man nur noch über den Job redet. Zumal es halt auch schwierig immer zu erwarten, dass man, wenn man nach Hause kommt, der kleine König ist und sich den ganzen Tag nur um seinen Job kümmern kann. Man muss halt zuhause auch irgendwie seinen Beitrag leisten. Da muss man sich dann auch mal um den Zünsler kümmern, damit nicht der nächste Buchsbaum stirbt. Aber das Schöne ist: ich habe da ja trotzdem keine Bringschuld, habe keine Deadlines wie im Job. Das ist schon sehr entlastend.
Welchen Rat würdest du Berufseinsteigern geben? Hast du einen Tipp für ein erfülltes Berufsleben? Was ist wichtig? Worauf sollte man von Anfang an achten?
Dass man es auf jeden Fall nicht macht, um bei irgendjemanden Eindruck zu schinden. Sondern, dass man den Job macht, weil man Bock draufhat, also weil man eine Grundbegeisterung hat, weil man zum Beispiel vorher irgendwie Musik gemacht hat oder in der Schule vielleicht schon die Theater-AG betreut hat. Und man sollte sich nicht dem Glauben hingeben, dass man das ja alles ganz anders hinkriegt mit Familie und diesem Job als alle anderen zuvor. Man wird auf jeden Fall Verluste erleiden im Privaten. Es werden weniger Freunde sein. Und die eine oder andere Freundin wird es auch nicht mitmachen. Aber man kann sich auf jeden Fall auf eine große neue Familie freuen, auf einen sehr großen Bekanntenkreis und ganz viele WhatsApp-Gruppen. Und ich würde Berufsanfängern auf jeden Fall raten, Dinge immer auch durchzuziehen, also zu Ende zu machen, was man zugesagt hat. Du bist verantwortlich. Man sollte auch ein gewisses Ego schon haben und nicht erwarten, dass man für jede gute geleistete Arbeit mein Schulterklopfer kriegt. Den kriegst du nur dann, wenn es unglaublich gut geworden ist. Das passiert sehr selten, in meinen jetzt 17 Jahre vielleicht fünfmal für wirklich, wirklich gute Sachen, für die ich aber auch wirklich hart gearbeitet hatte. Ich sehe manchmal bei jungen Kollegen, dass die die Augen leuchten, wenn sie am Pult stehen. Aber der Job besteht nicht nur aus Pult. Ein Kollege hat sinngemäß mal gesagt: "Nicht alle können lenken, manche müssen auch die Richtung halten." Also nicht jeder kann die Führung übernehmen, wir brauchen auch Menschen, die anpacken. Und wir brauchen viele, die anpacken. Und wenn man die Führung übernehmen möchte, reicht es nicht sich ein paar YouTubes-Tutorials anzugucken. Man muss sich das hart erarbeiten. Man muss auch das Material wirklich gut kennen. Du musst wissen, warum die eine Lampe langsamer ist als die andere. Ohne diesen mechanischen Backbone brauchst du dich nicht ans Pult stellen.
Machst du noch Musik?
Nee, leider nicht. Ich will unbedingt wieder, ich habe Bock. Ich wollte mir jetzt wenigstens mal wieder ein Übungspad bestellen, um Technik zu üben. Ich muss gestehen, ich habe 2016, 2017 das letzte Mal Musik gemacht, Stoner Rock mit ein paar Kollegen damals. Seitdem steht mein Schlagzeug bei einem anderen Kollegen im Keller. Wird Zeit, dass das da mal wieder rauskommt.
Was wünschst du dir für deine weitere Zeit bei PM?
Harmonie ohne Missgunst, ohne Neid. Und engagierte Kollegen, denen der Job wichtiger ist als ihre Mittagspause. Ich wünsche mir, dass alle für ein vernünftiges Portfolio an Jobs und Kunden arbeiten. Ich wünsche mir eine gute Gemeinschaft, damit wir kein manövrierunfähiges großes Schiff werden, dass seine Richtung verliert. Ich wünsche mir, dass wir weiterhin eine Firma sind, in der jeder Bock auf seinen Job hat.
[das Interview wurde geführt im Mai 2024]